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Wenn der Mund zum Himmel stinkt

Wenn der Mund zum Himmel stinkt
SonntagsBlick, 24. August 2003

Rund ein Viertel aller Schweizer haben eine Mundgeruch-Fahne, die nach faulen Eiern riecht. Und niemand will darüber reden. Doch mit wenig kann man viel dagegen tun.

Sex, Schulden, Ehekrach - heute gibt es kein Thema, über das nicht in aller Öffentlichkeit diskutiert wird; nichts ist tabu. Falsch! Nur wenn es um winzige Bakterien geht, die nicht nach Dior oder Chanel riechen, dann verschlägt es allen den Atem. Rund ein viertel aller Schweizer haben einen Mundgeruchfahne, die nach faulen Eiern riecht. Und niemand will darüber reden.

Bei manchen ist es so schlimm, dass sie mit ihrem stinkenden Atem zum Einzelgänger werden. Jeder Flirt an der Bar stirbt, wenn sich ein Paar näher als 1,5 Meter kommt. Das müsste nicht sein, sagen sich Andreas Filippi und Björn Lang, zwei Zahnärzte der Basler Universitätsklinik und gründen die erste schweizerische Mundgeruch- oder Halistosis-Sprechstunde. Was in Amerika selbstverständlich ist, muss sich in unserem Land erst bewähren.


Ein Jahr wird das Pilotprojekt zunächst dauern, dann wird Bilanz gezogen. Aber schon nach der Halbzeit ist es den beiden Initianten klar, dass ihre Sprechstunde, zwei Morgen pro Woche, ein Renner ist. So pilgern Menschen mit schlechtem Atem aus allen Ecken der Schweiz nach Basel. "Tendenziell sind es mehr Männer, die meistens von Ihren Partnerinnen zu uns geschickt werden", sagt Andreas Filippi. "Frauen reagieren wohl empfindlicher auf schlechte Gerüche."

20 Beratungen pro Woche schaffen beide Ärzte. Zu Beginn der Sprechstunde füllen die Ratsuchenden einen Fragebogen aus.
"Woher wissen Sie, dass Sie Mundgeruch haben?"
a. Nichtverbale Körpersprache anderer Leute
b. Jemand hat es mir gesagt
c. Ich weiss es einfach.

Nach dem schriftlichen beantworten der Fragen falle es den Patienten leichter über ihr Problem zu reden, erzählt Doktor Filippi. Denn neben den Fragen zum Zustand der Zähne, geht es auch um Lebensstil, Gesundheitszustand, Stress, Ernährung und Einnahme von Medikamenten.

Mundgeruch hat viele Gründe. "Zu 90% ist die Ursache in der Mundhöhle zu finden", sagt der Spezialist. "Wir messen mit dem Halimeter die Konzentration der flüchtigen Schwefelverbindungen". So blasen die Patienten in ein Röhrchen und sehen anhand der Skala die Menge des widerlichen Geruchs: Die Ausdünstung entsteht als Zersetzungsprodukt von Bakterien, die sich im Mund abbauen. "Die Patienten glauben dem Gerät mehr als meiner Beurteilung. In diesem Zusammenhang haben wir auch einige Patienten, die sich ihren Mundgeruch nur einbilden", sagt der Arzt. "Zusätzlich fertigen wir ein Panoramaröntgenbild der Zähne an". Rund einen Drittel der Patienten hat vernachlässigte Zähne. Häufig sind Löcher in den Zähnen, entzündetes Zahnfleisch, Zahnstein oder seltener chronische Mandelentzündungen die Verursacher.
"Dass der Geruch aus dem Magen kommt, stimmt nur bei einem Prozent"; sagt der Mediziner. "Auch haben Raucher häufiger Probleme, denn Nikotin verringert den Speichelfluss": Die Spucke spült Bakterien, die an Zähnen, Zunge und in der Mundhöhle kleben, runter - viel trinken lautet ein zahnärztlicher Rat.

Notfalls regen auch zuckerfreie Bonbons mit Zitronengeschmack oder die Kieferbewegung beim Kaugummikauen den Speichel an. "Das Hauptreservoir für Bakterien ist die Zunge, sie hat eine so raue Oberfläche, dass zwei Drittel der schwefelbildenden Bakterien an ihr hängen bleiben", sagt der Arzt. Dass wissen Inder längst, daher gehört in der Ayurveda-Medizin Zungenreinigen zum täglichen Ritual. "Die Zunge putzen, ist ein wirksames Mittel um die Frische des Atems zu erhalten, sobald alle zahnmedizinischen und gesundheitlichen Probleme behoben sind", sagt Filippi.
Kein Wunder, dass Apotheken, Drogerien und einige Warenhäuser wie Coop Zungenreiniger in ergonomischem Design anbieten. Vorerst gibt es eine bescheidene Auswahl an Modellen. "Es genügt eine nicht zu harte Zahnbürste für die Zungenreinigung", sagt der Halistosis-Experte. Meistens reichen drei Besuche bei den Basler Halistosis- Experten, damit die Ratsuchenden danach mit frischen Atem die Welt neu entdecken können. "Die Patienten sprechen plötzlich wieder ohne Hemmungen und lachen dabei viel öfter", sagt der Mediziner. Seine drei Beratungen kosten ohne zahnmedizinische Eingriffe 230 Franken - wenig Geld für viel Lebensgefühl: Ein Zungenkuss mit frischem Atem ist ein sinnlicher Genuss - dafür lohnt es sich, Zunge und Zähne zu putzen.

Fünf Tipps gegen Mundgeruch
1.Zahnreinigung
Zähne dreimal täglich mit Zahnpasta putzen und den Belag in den Zwischenräumen mit Zahnseide entfernen. Die Zähne regelmässig vom Zahnarzt kontrollieren lassen.

2. Zungenreinigung
Zunge an der Spitze halten und mit Zungenreiniger oder Zahnbürste von der Mundhöhle aus nach vorne reinigen, jeden tag 10 bis 15 Mal. Sollte sich ein Würgen einstellen, müssen die Augen bei der Zungenreinigung geschlossen bleiben, Zahnbürste oder Zungenreiniger gut mit heissem Wasser spülen.

3. Speichel
Für ausreichend Speichelbildung viel Wasser trinken. Notfalls Kaugummis oder zuckerfreie Bonbons mit Zitronengeschmack lutschen.

4. Ernährung
Knoblauch und Zwiebeln verursachen schlechten Mundgeruch. Chlorophyll-Dragées, "Listerine" (der letzte Schrei aus Amerika), hauchdünne Pfefferminzplättchen (in Apotheken erhältlich,24 Stück für 5.40) sowie Mundspray vertreiben den Mundgeruch kurzfristig.

5. Hausmittelchen
Dass das Kauen von Petersilie, Pfefferminzblättern und zerriebener Eierschale oder das Spülen des Mundes mit Salz- oder Zitronenwasser den Mundgeruch vertreibt, wurde bis anhin nicht wissenschaftlich bestätigt.